Wer löst das Rätsel der Roten Steine? Mit fünf Rundgängen will das neue «Kulturabenteuer Museggmauer» Kindern im Primarschulalter das Mittelalter spielerisch näherbringen. «Geschichte berührt», sagt Bettina Akermann von der
Pädagogischen Hochschule Luzern.

Bettina Akermann-Inderbitzin (42) erwartet mich beim Kleintiergehege des Kulturhofs Hinter Musegg. Hier starten die Rundgänge für das Kulturabenteuer Museggmauer. 

Bettina Akermann arbeitet am Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskultur an der Pädagogischen Hochschule
Luzern. Die frühere Primarlehrerin hat Geschichte, Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung
studiert und gehörte mit Jürg Manser von der Kantonsarchäologie zu den treibenden Kräften des
Kulturabenteuers. «Mit diesem Projekt wollen wir dazu beitragen, dass alle Schulklassen der Stadt Luzern zumindest
einmal auf die Museggmauer gehen», sagt Bettina Akermann.

Geschichten erzählen

Im Wachtturm steigen wir die steile Treppe hoch, treten auf den Wehrgang der Museggmauer. Hier öffnet sich ein prächtiger Blick auf die Stadt Luzern, Ausgabe 2024. Ein paar Schritte ostwärts Richtung Schirmerturm klemmt auf dem Geländer ein kleiner Gucker. Wer hineinschaut, hat detailgetreu das alte Luzern vor Augen, Ausgabe 1450. Der Wasserturm steht, die Jesuitenkirche fehlt. Ein phänomenaler Zeitsprung aus unserer Zeit ins Mittelalter, der die historische Entwicklung der Stadt prägnant veranschaulicht. «Mit der Museggmauer haben wir ein echtes Objekt aus dem Mittelalter vor der eigenen Haustüre, um Geschichte greifbar zu machen», sagt Bettina Akermann.

Das Kulturabenteuer will primär Primarschulen (4. bis 6. Klasse) ansprechen. Auf den fünf Rundgängen, die je gut 90 Minuten dauern, werden anhand von Leitfiguren Geschichten zur Museggmauer erzählt. «Geschichte muss die Kinder berühren, damit sie sich Kompetenzen für das historische Lernen aneignen», sagt die Geschichtsvermittlerin.

So treten die Denkmalpflegerin Caroline Ineichen auf, der Turmwart Wädi (dem echten Walter Fassbind vom Kulturhof nachgezeichnet), aber auch Lucas, der viel Fantasie hat (für einen Detektiv gar nicht schlecht), und die gewitzte Maike aus Berlin, die einen Artikel für ihre Schulzeitung schreiben will. Dabei ist auch Rollstuhlfahrer David, der Details entdeckt, die andere nicht sehen.

Drei der fünf Rundgänge ganzjährig offen

Die Museggmauer selber ist nicht rollstuhlgängig, aber ein Rundgang ist ausdrücklich für Menschen mit Mobilitätseinschränkung gedacht. Dank seinem Handy und dem QR-Code kann auch David versuchen, dem Rätsel der Roten Stein auf die Spur zu kommen. «Leider war es nicht möglich, den ganzen Parcours mit Türmen und Treppen rollstuhlgängig zu machen, doch ist das immerhin ein erster Schritt zur Inklusion», sagt Bettina Akermann. Drei der fünf Rundgänge sind auch im Winter, wenn die Museggmauer geschlossen ist, zugänglich.

Wie funktioniert Geschichtsvermittlung für Kinder? Bettina Akermann nennt vier Kriterien, die für die historische Bildung in der Primarschule wegleitend sind: exemplarische Geschichten, altersgerechte Sprache, spielerische Elemente (Rätsel lösen!), vielfältige Medien. Zum Beispiel Hörstationen, Filme oder eben kleine Gucker auf dem Wehrgang. Beim Eingang zum Zytturm zeigt Bettina Akermann auf eine kleine Hörstation. Sie drückt auf den Knopf: Eine Uhr tickt, eine Kirchenglocke schlägt. Im Mittelalter bestimmte der Sonnengang den Lauf der Zeit. Keine Armbanduhren, keine Smartphones. Und was bedeutet Zeit heute, wenn man jung ist? «Ich habe manchmal wenig Zeit zum Träumen», sagt Lucas.

Zum Kulturerbe Sorge tragen

Laut Lehrplan 21 sollen Primarschülerinnen und Primarschüler «verstehen, wie Geschichte aus der Vergangenheit rekonstruiert wird».

  • Wie gehen wir mit dem Kulturerbe um?
  • Was lernen wir aus der Vergangenheit?
  • Wie gestalten wir unser heutiges Leben?

Die Museggmauer kann uns helfen, aus der Geschichte exemplarisch zu lernen», sagt Bettina Akermann. Das gilt nicht nur für Kinder. Auch für Familien (und überhaupt für Erwachsene) ist die Museggmauer ein Kulturabenteuer, das sich lohnt.

Auf ins Kulturabenteuer!

Das Kulturabenteuer ist ein Vermittlungsangebot der Kantonsarchäologie Luzern und des Instituts für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern. Es ist in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern bereits an drei Orten im Seetal erfolgreich installiert. In Ballwil wird die Eiszeit in der Kiesgrube Lötscher veranschaulicht, in Ottenhusen der Römerturm beim römischen Gutshof und in Lieli die Burgruine Nünegg. Die Museggmauer in Luzern ist das erste Kulturabenteuer ausserhalb des Seetals. Bei den Kulturabenteuern handelt es sich um ganzjährig geöffnete Angebote, die sich primär an Primarschulen (4. bis 6. Klasse) richten. Sie sind aber auch für Familien sehr attraktiv.

www.kulturabenteuer.ch

Dieses Interview erschien in der Museggmauer Zytig. Sie erscheint jährlich und wird in gedruckter Form den Mitgliedern verteilt. Sie kann auch online nachgelesen werden: