Dr. Ferdinand Spaeti, Arzt für allgemeine Medizin FMH im Ruhestand, ist seit Jahrzehnten eng mit der Museggmauer verbunden. Er wohnt nicht nur unmittelbar davor, er setzt sich auch für die Mauer ein. Als Mitglied des Vereins fehlt er an keiner Generalversammlung.

Als unsere siebenköpfige Familie 1947 Auf Musegg 2 einzog, befand sich der WACHTTURM auf der Nordseite unseres Gartens. Dessen Erdgeschoss nutzten wir als Depot für Gartenutensilien und den Hasenstall. Auch ein Terrarium mit kleinem Teich und Reptilien fand hier Platz. Beim Aufgang war das überlebensgrosse Gemälde eines hellebardenbewaffneten Kriegers zu sehen. Dieser wird heute kaum mehr beachtet, da die immer geöffnete Türe zum ersten Stockwerk das Gemälde verdeckt. Wie ehemalige Bewohner der Liegenschaft berichteten, wurde der Krieger von einem ihrer Bekannten geschaffen, jedoch nicht von Schobinger, der die wilden Mannen am Zytturm malte.

1977 wurde die Museggmauer im Abschnitt Zyt- bis Wachtturm öffentlich begehbar gemacht. Um eine Sackgasse beim Wachtturm zu vermeiden, ermöglichten meine Eltern eine Weiterführung des Besucherwegs auf die Nordseite der Mauer, indem sie
einige Quadratmeter unseres Gartens opferten und der Stadt das Durchgangsrecht gewährten. Dieser Teil unseres Grundstücks wurde durch ein Mäuerchen mit Türe zu unserem Garten abgetrennt. Das so entstandene Plätzchen taufte mein Vater «Piazza M», wie es heute noch beschriftet ist. Passanten denken, das M bedeute Musegg, Insider jedoch wissen, dass meine Mutter «Martha» hiess. Bereits vor diesem Mauerdurchbruch hatte hier ein Tor bestanden, durch welches wohl der Bauer des Geissmatthofs sein Heu in den Turm bringen konnte, daher der alte Name HEUTURM.

1964 konnte ich in unmittelbarer Nähe zu meinem Elternhaus die Liegenschaft Auf Musegg 4 vor dem Luegisland-Turm erwerben. Der Luegislandturm ist der älteste aller Museggtürme und noch weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten. Nur zwei Museggtürme ragen so weit in die Mauer, dass der Wehrgang unterbrochen wird. Während beim Dächliturm zwei Türen die Verbindung ermöglichen, endet der Wehrgang beim Luegisland beidseits stumpf an der Turmwand, was doch merkwürdig ist.

Bis in die Jahre um 1880 war das Musegg- und Brambergquartier weitgehend unbebaut, da es kaum Wasserquellen gibt. Deshalb erstellte die Stadt im Eigenthal eine Wasserfassung und via Gütsch eine Leitung in den Luegislandturm. In seinem Untergeschoss wurde eine Wasserhochdruckreduktionsanlage eingerichtet, die bis vor kurzem noch in Betrieb war. Dank diesem zusätzlichen Wasserangebot konnte dann das obgenannte Gebiet überbaut werden, zwischen 1887 und 1889 auch die Liegenschaften Auf Musegg 2, 3, 4, 5.

Ich besitze einen Schlüssel zum Turm, doch nur für Notfälle. Im Turm ist auch eine Alarmanlage installiert, welche bereits über ein Dutzend Mal – oft auch in der Nacht – Alarm schlug und Anwohner, Feuerwehr und Polizei in Aufregung und Hektik versetzte. Glücklicherweise war es jedes Mal ein Fehlalarm. Noch weniger erfreuten uns die Ziegel, die wiederholt vom steilen Turmspitz fielen und sich in den Rasen bohrten, sodass wir unsere Kinder nicht mehr hinauslassen konnten.

Um einen vollständigen und dauerhaften Unterhalt zu ermöglichen, gründeten wir 2002 den Verein zur Erhaltung der Museggmauer, wobei ich im Patronatskomitee mitwirken durfte. Mit Interesse verfolgte ich dann die Sanierungsarbeiten. Ich schätzte die gute Zusammenarbeit mit den Handwerkern und dem Verein. Alle bemühten sich, die Immissionen in erträglichem Rahmen zu halten.

Dass uns die Mauer gegen Norden die Aussicht versperrt wird tausendfach kompensiert durch die traumhafte Aussicht auf die Stadt, den See und die Alpen. Wir schätzen es ausserordentlich, an diesem privilegierten Ort leben zu dürfen.

Auch die Pflanzen scheinen das durch die Mauer geschützte Klima zu schätzen, gedeihen doch in unserem Garten Zypressen, Palmen, Feigen, Bananen, Kaki, Magnolien, ein Eukalyptus, Palmlilien, winterharte Kakteen, Kamelien, echter Lorbeer, lorbeerblättriger Seidelbast, Mäusedorn, und: Trauben. Diese wachsen so üppig, dass ich begann, selbst Wein herzustellen. In guten Jahren ergab dies um die 100 Flaschen «Museggler, Ferdis Spaeti-Lese», die Hälfte rot, die andere weiss. Als gute Freunde meinten, das grösste Potential meines Weines liege im Verbesserungspotential, besuchte ich in Wädenswil einen Kurs für Hobbywinzer. Danach konnte ich vieles verbessern.

Auch Tieren scheint es bei uns zu gefallen. Im Garten und den Bruchsteinmauern leben Dutzende Mauereidechsen, die gerne auch Trauben fressen und bis auf die Zinne der Museggmauer klettern. Auch Igel, Fuchs, Marder, Grün- und Buntspechte, Eulen und Turmfalken wurden schon gesichtet.

Touristen gab es in diesem Jahr coronabedingt weniger. Unverändert ungenügend ist jedoch die Lenkung der Besucherströme. Viele suchen ihren Weg mit Google, wo die Angaben oft falsch sind und die Touristen in unsere Gärten lotsen. Ich gebe die Hoffnung auf eine baldige Lösung dieses ärgerlichen Problems jedoch nicht auf.

Licht und Schatten mit der Museggmauer finden sich auch im Leben meiner leider kürzlich im Alter von 90 Jahren verstorbenen Ehefrau Anni Arnold. Als ich 1952 nach dreijähriger Abwesenheit auf die Musegg zurückkehrte, wohnte und arbeitete sie in der Villa Hauser Auf Musegg 1. Die Nachbarschaft endete in einer fast 70-jährigen glücklichen Verbindung. Ein Schatten ist jedoch der 1. August 1982. Als wir auf unserer Terrasse den Nationalfeiertag feierten, explodierte eine jenseits des Zeughauses abgefeuerte Knallrakete in unserer Mitte. Resultat: Vier Verletzte, davon Anni schwer. Rückblickend überwiegen aber die positiven Erinnerungen und ich bin dankbar, dass ich hier seit Jahrzehnten so privilegiert leben darf.

Dieser Artikel erschien in der Museggmauer Zytig 2021

Ferdinand Spaeti in seinem Garten vor dem Luegislandturm «Auf Musegg 4».

Ferdinand Spaeti in seinem Garten vor dem Luegislandturm «Auf Musegg 4».

Ferdinand Spaeti beim Durchbruch vor dem Wachtturm 1977

Ferdinand Spaeti beim Durchbruch vor dem Wachtturm 1977