Der Wachtturm ist der jüngste der neun Museggtürme. Nach einer fatalen Explosion anno 1701 musste der Turm nämlich neu aufgebaut werden. Später wurde er als Wachtturm genutzt. Die Wachtstube ist im Original erhalten – als ob die Brandwache erst gestern ausgezogen wäre.
Ein Hauch von Vergangenheit weht durch die Wachtstube. Seit die Brandwache vor fast 130 Jahren hier ausgezogen ist, hat sich im obersten Geschoss des Wachtturms (fast) nichts verändert. Das Seil zur Feuerglocke im Dachreiter ist mit der Hand zu greifen. Der Boden mit Nadel- und Laubholzriemen, zwischen 1820 und 1840 gelegt, ist etwas abgetragen. Verblieben sind einzelne Originaltapeten oder alte Zeitungen, mit denen die Feuerwache versuchte, die Holzwände einigermassen zu isolieren.
Auf Wänden und Dielen, mehrfach übermalt, sind Kritzeleien aus früheren Zeiten zu entdecken. So bekundet ein Josef Bühlmann, er habe hier am 3. Juli 1902 gearbeitet. Internierte des 1. Weltkriegs haben sich 1916 auf der Eingangstüre verewigt. Und auch Fred Kurmann, Stift beim Elektrizitätswerk, war am 22. November 1954 hier zur Arbeit. «Wahrscheinlich wären auch Graffiti der damaligen Turmwächter zu entdecken», sagt Fabian Küng von der Kantonalen Archäologie, der mich in die Wachtstube begleitet.
Blitzschlag zertrümmert den Heuturm
Am 30. Juli 1701, nachmittags um zwei Uhr, schlug bei einem Sommergewitter der Blitz in den ehemaligen Heuturm ein.
350 Zentner Schwarzpulver explodierten, ein gewaltiger Steinschlag erschütterte die Stadt. «Zahlreiche Gebäude erhielten Risse und fast alle Fensterscheiben wurden zerstört», berichtete Theodor von Liebenau 1881 in seinem Buch über das alte Luzern. Bis nach Hergiswald seien die Steine geflogen, hiess es damals. Fünf Personen starben. Der Turm war vollständig zerstört.
«Bemerkenswert ist, dass die Stadt nicht einfach die Lücke in der Mauer schloss, sondern den Turm mit erheblichem finanziellen Aufwand umgehend rekonstruierte», sagt Fabian Küng.
«Die Museggmauer mit den neun Türmen war für das städtische Selbstverständnis ein wichtiges Erkennungsmerkmal.»
Bereits 1702 wurde das Turmfähnchen geliefert, ein Jahr nach der Katastrophe war der Turm also wieder aufgebaut. 300 fremde Arbeiter, so Liebenau, wurden für die Reinigung der Stadt und die Besorgung der Reparaturen an den Staatsgebäuden requiriert. Das Schwarzpulver wurde fortan ausserhalb der Stadt, in zwei neuen Pulvermagazinen in der Hasenweid im Moorenthal (später Friedhof Friedental) und im Gopplismoos gelagert.

In der Wachtstube mit dem grünen Kachelofen hat sich in den letzten 120 Jahren fast nichts verändert.
Nicht öffentlich zugänglich
Eine kleine Sitzbank steht vor dem grünen Kachelofen. Die Tage und Nächte auf dem Ausguck mit den acht Lukarnen konnten kalt und ermüdend lang sein. Ein wenig Komfort musste deshalb für die Turmwächter sein. Auch fand sich vor Jahren beim Aufräumen eine alte Spielkarte, das Jassen wird die Langeweile wohl etwas gelindert haben.
Der kleine Raum zum Einfeuern, inklusive einer kleinen Kochstelle, befand sich zwischen den südlichen Lukarnen und war wegen des Brandschutzes verputzt. Am 1. März 1806 mussten die Wächter allerdings gerügt werden, weil sie beim Einfeuern des Ofens, vermutlich mit klammen Fingern, beinahe den Turm in Brand gesetzt hatten.
Noch immer vorhanden sind ein Uhrengehäuse für die Pendeluhr, ein Büfett für die persönlichen Utensilien der Turmwärter und ein Plumpsklo.
«Seit dem Auszug der Brandwache, das war 1895, ist in diesem Raum nichts mehr passiert», sagt Fabian Küng von der Kantonalen Archäologie. Der Wachtturm war für den Tourismus nie zugänglich, zumal hier zwischen 1977 und 2013 die Funkanlage der Luzerner Kantonspolizei installiert war. Nur alle zwei Jahre, jeweils am Tag der offenen Museggtürme, ist die Wachtstube öffentlich zugänglich. Dann bekommt man eine Ahnung, was es damals hiess, bei der Brandwache tätig zu sein.

Der Wachtturm eingerüstet.
Holzschindeln am Wachtturm
ersetzt
Im Rahmen der jährlichen Kontrollen wurde beim Wachtturm festgestellt, dass die roten Holzschindeln stark beschädigt sind. Aus diesem Grund musste der gesamte Turm aufwendig mit einem Baugerüst versehen werden. Nach intensiven Abklärungen durch den Architekten Iwan Bühler mit der kantonalen Denkmalpflegerin Cony Grünenfelder sowie weiteren Experten erfolgte im letzten Spätsommer und Herbst der Ersatz dieser Schindeln. Gleichzeitig wurden einzelne Verputzstellen und Naturstein-Schadstellen ausgebessert. Es ist das Ziel der Stiftung zur Erhaltung der Museggmauer sowie der Stadt Luzern, festgestellte Schäden wenn immer möglich zeitnah in Ordnung zu bringen und damit den langjährigen Erhalt der Mauer und der Museggtürme sicherzustellen. Der Aufwand für die Arbeiten am Wachtturm dürfte rund 190‘000 Franken betragen.
Dieser Artikel erschien in der Museggmauer Zytig. Sie erscheint jährlich und wird in gedruckter Form den Mitgliedern verteilt. Sie kann auch online nachgelesen werden: