Wir alle sind schon über den Wehrgang der Museggmauer spaziert, haben die romantische Ausstrahlung dieses Bauwerks, in erster Linie aber die phänomenale Aussicht genossen. Früher war es in erster Linie ein militärisches Bauwerk. Aber wie muss man sich die «Arbeit» der Verteidiger vorstellen, und welche Waffen wären zum Einsatz gekommen? Vorstandsmitglied (bis 2022) und Kantonsarchäologe Jürg Manser gibt Einblick in die Vergangenheit.

Wer hätte denn im Ernstfall auf der Mauer Wehrdienst leisten müssen?
Grundsätzlich war jeder Mann mit Wohnrecht in der Stadt (Burger oder Hintersasse) zum Wach- und Verteidigungsdienst verpflichtet. Das Aufgebot erfolgte quartierweise auf vorher bestimmte Abschnitte der Mauern und Türme. Ein Teil der Mannschaft wurde zur Bewachung abkommandiert, der andere hielt sich für den schweren Einsatz in Reserve bereit.

Und zu welchen Waffen hätte man gegriffen?
Verteidigt hätte man sich in erster Linie mit der Armbrust, die im Mittelalter in unserer Region die wichtigste Fernwaffe bildete. Im Luzerner Waffenverzeichnis von 1352 wurden 144 Armbrüste gezählt, deren Zahl sich vor den Sempacherkriegen noch erhöht haben dürfte. Die Durchschlagskraft der Bolzen war enorm, die daraus resultierenden Verletzungen fürchterlich. Die Ablösung der Armbrust durch die im Verlaufe des 15. Jh. aufkommenden Feuerwaffen, insbesondere die Büchsen, erstreckte sich über einen langen Zeitraum, da diese erst ab der Mitte des 15. Jh. wirklich leistungsfähig wurden.

Da stellt sich natürlich sofort die Frage, wie sich die Kämpfer gegen Verwundungen zu schützen versuchten?
Die wesentlichen Schutzelemente des mittelalterlichen Kriegers bildeten Helm, Lederwams und Harnisch, also ein Kettenhemd oder ein Brustpanzer. Diese zählten nicht zur persönlichen Ausrüstung, sondern wurden, wie Waffen und Munition, im Bedarfsfall von den städtischen Zeughäusern abgegeben. Die Obrigkeit der Städte kaufte grosse Mengen an Waffen (Hellebarden, Spiesse, Armbrüste, Hakenbüchsen etc.) und Schutzausrüstung, die sie in den im Spätmittelalter aufkommenden städtischen Zeughäusern aufbewahrte. Das Pulver wurde getrennt gelagert, wobei es trotzdem immer wieder zu Unfällen damit kam, wie wir nur zu gut wissen.

Was für weitere taktische Elemente standen zur Verfügung?
Das Vorfeld der Museggmauer hätte im Ernstfall mit sogenannten Fussangeln, quasi die Vorläuferin der Landminen, wirkungsvoll geschützt werden können. Wie sie auch zu liegen kommt, einer der vier Dorne ragt immer senkrecht empor. Grossflächig gestreut wären Fussangeln ein wirkungsvolles Annäherungshindernis gewesen. Ein Tritt auf einen der Eisendorne hätte sowohl Krieger wie Pferd sofort ausser Gefecht gesetzt.

In Luzern waren also stets viele Waffen griffbereit eingelagert. Weiss man etwas über deren Herstellung?
In der mittelalterlichen Stadt spezialisierten sich die metallverarbeitenden Handwerker schon früh nach Produkten und nach verarbeiteten Metallarten. Praktisch für jede Waffengattung gab es spezialisierte Handwerksbetriebe, deren wichtigste auch in Luzern nachweisbar sind (Büchsenmacher, Degenschmiede, Schwertfeger, Harnischer etc.).

Wie wurden die Waffen auf der Musegg eingesetzt?
Während man die Armbrust in der Regel kniend abfeuerte, so dass keine besonderen Hilfsmittel erforderlich waren, mussten die Büchsen aufgelegt werden, um einen ruhigen Schuss auslösen zu können. Zu diesem Zweck wurden die Schiessscharten in den Türmen mit Auflegehölzern ausgestattet, von denen heute noch die Verankerungen zu sehen sind. Es sind aber auch die Abstände zwischen den Museggtürmen (70-120 m), die auf die Verwendung von Armbrüsten hindeuten. Da eine Armbrust bis auf eine Distanz von ca. 60 Metern treffsicher war, konnte man also von zwei Museggtürmen aus die dazwischenliegende Mauer vollständig bestreichen.